Der Schwerbehindertenausweis (SBA) im Bezug auf die (partielle) dissoziative Identitätsstörung.

Im Laufe des Heilungsweges begegnet einem immer wieder das Thema "Schwerbehindertenausweis" und oftmals entstehen dadurchviele Fragen, Unsicherheiten und Gedanken dazu.
Hier erhält man eine Übersicht über die meisten aufkommenden Themen im Bezug der DIS & SBA.

Übersicht:

Was ist der SBA?
Welche Vorteile erhalte ich mit einem SBA (>50)?
Gründe für einen SBA
Merkzeichen beim SBA
Wie beantrage ich ihn?
Wo erhalte ich Hilfe bei der Antragsstellung?
Verschlimmerungsantrag für den Grad der Behinderung (GdB)
Klageweg
Tipps
Urteile

Was ist der SBA?

Dies ist ein einheitlicher Nachweis über den Status als Schwerbehinderter und gibt gleichzeitig den Grad der Schwerbehinderung an. Zusätzlich sind eventuelle Merkzeichen und die Gültigkeit auf dem Ausweis vorhanden.
Beim Bundesamt für Justiz kann man sich die Schwerbehindertenausweisverordnung [1] ansehen und nachlesen.

Man erhält einen SBA nur mit einem Grad der Behinderung von > 50 und muss in Deutschland wohnen / arbeiten / leben.

Welche Vorteile erhalte ich mit einem SBA (>50)?

Der SBA soll einen Nachteilsausgleich zu Menschen ohne Schwerbehinderung darstellen und bietet bspw. viele Vorteile:

- Früher in Rente gehen (bspw. mit 63)
- Besonderer Kündigungsschutz beim Arbeitgeber (jedoch muss dieser dem Arbeitgeber auch bekannt sein)
- Anpassung des Arbeitsplatzes an die Schwerbehinderung
- Bei einer 5-Tage-Arbeitswoche 5 Tage mehr Urlaub
- Ermässigungen bei Veranstaltungen, Schwimmbad, Theater etc. (das bieten viele an)
- Kindergeld für schwerbehindertes Kind nach dem 25. Lebensjahr
- mit dem Merkzeichen RF Rundfunkbeitrag-Ermäßigung oder Befreiung
- Mehrbedarf bei Empfang der Sozialhilfe
- BAföG kann länger in Anspruch genommen werden
- Manchmal andere / günstigere Tarife bei Verträgen wie Telefon
- Steuerfreibeträge
- Vergünstigte Preise für den öffentlichen Verkehr (merkzeichenabhängig)

 

Gründe für einen SBA

Viele Betroffene der (p)DIS haben weitreichende Einschränkungen im Alltag. Manche haben Probleme mit dissoziativen Störungen wie: dissoziativer Stupor, dissoziative neurologische Symptomstörung, dissoziative Fugue, Depersonalisations- oder Derealisationsstörungen.

Oder auch Fibromyalgie, starke Migräne, Tinnitus oder chronische Depression. Manche sind auf einen Rollstuhl zeitweise angewiesen, manche sind hilflos auf Wegen im Alltag. Die Begleiterscheinungen der chronischen Traumafolgestörung können einen erheblich im Alltag einschränken.

Arbeiten ist vielleicht nicht oder nur mit besonderen Faktoren (Zeit, Umgebung etc.) möglich oder es gelingen die alltäglichen Aufgaben wie Essen, Einkaufen, Haushalt nicht (mehr).

Nicht alle Betroffene der Diagnose (p)DIS benötigen einen SBA. Man erhält nicht automatisch durch die Diagnose einen SBA oder hat Anspruch darauf. Der Ausweis ist nicht an eine Diagnose gebunden, sondern richtet sich nach den Einschränkungen im Alltag und an der Teilhabe des sozialen Gemeinschaftsleben. Das bedeutet, dass nicht anhand eine Diagnose ein SBA einem zusteht oder ein bestimmter Grad der Behinderung, da sich jede Diagnose bei einem Menschen unterschiedlich im Alltag auswirkt.

Der Ausweis kann einem das Leben erleichtern, auch wenn der Weg dorthin mühsam sein kann. Nicht immer ist der Weg lange und muss mit Klage erstritten werden, ich kenne viele Fälle, in denen er klaglos und ohne Komplikationen durchgegangen ist.
Sofern die Einschränkungen im Alltag gegeben sind, sollte unbedingt versucht werden einen SBA zu beantragen, da hiermit festgestellt wird, dass die durch die chronische Traumatisierung ausgelösten Symptome zu massiven Einschränkungen im Alltag führt.

Man muss den SBA nicht angeben, weder beim Arbeitgeber noch sonst wo. Wenn man ihn bspw. gerade nicht braucht oder es einem unangenehm ist, bleibt er einfach in der Tasche.
Durch den Ausweis sind andere Anlaufstellen (Thema Helfernetzwerk ) teilweise leichter zu erhalten.

 

Merkzeichen beim SBA [3]

Wenn ein Merkzeichen angestrebt ist, sollte dies beim Antrag direkt angekreuzt werden. Telefonischer Kontakt mit dem zuständigen Sachbearbeiter ggf. aufnehmen um direkt Fragen zu klären.

G — Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
aG — Außergewöhnliche Gehbehinderung
► Die Hürden/Auflagen sind für dieses Merkzeichen sehr hoch, ein GdB von > 80 ist meist Voraussetzung, Laufen sollte nicht über 100 Meter möglich sein
► Ausnahmeregelungen für das Fahren in Umweltzonen ohne Plakette möglich
H — Hilflosigkeit
zum Beispiel bei Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung
Bl — Blindheit
Gl — Gehörlosigkeit
TBl — Taubblindheit
B — Begleitperson
► Relevant bei Orientierungsstörungen wie psychogene / dissoziative Bewusstseinsveränderungen
► Er wird nicht alleine vergeben, sondern von anderen Merkzeichen abhängig (G, aG, H oder GI)
1 Kl — 1. Klasse
RF — Rundfunk/Fernsehen
Zugehörigkeit zu Sondergruppen

 

Wie beantrage ich ihn?

Zusätzlich (je nach Punkt sofern vorhanden):
• Beantragung beim Versorgungsamt oder im Bürgerbüro, Antrag ist dort zu finden, in vielen Bundesländern kann dies auch online geschehen [2]
• Ein gut formuliertes Schreiben aufsetzen, welches die unterschiedlichen Einschränkungen im Alltag klar auflistet, mit Bezug auf vorhandene Diagnosen und wenn vorhanden Bezug auf Arztbriefe / Entlassungsbriefe / Schreiben vom Therapeuten
• Sämtliche Facharztberichte, Klinikberichte, Arztberichte der letzten Jahre (nur das selbst aufgesetzte Schreiben reicht nicht aus)
Pflegegutachen, MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) Berichte, Rentenbescheide (EU-Rente bspw.), Informationen vom ABW (ambulanten betreuten Wohnen)
OEG (Opferentschädigungsgesetz) / FsM (Fonds sexueller Missbrauch) - Schreiben
Diagnosen alleine reichen in den meisten Fällen nicht um eine korrekte Einschätzung zu geben. Das bedeutet: immer die Auswirkungen und konkreten Beeinträchtigungen dazu schreiben.


Wo erhalte ich Hilfe bei der Antragsstellung?

Sozialverband (bspw. Sozialverband VdK Deutschland e. V. ) - auch als Rechtsbeistand zu nutzen
SOVD (Sozialverband Deutschland e. V. )
EUTB® (Die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung unterstützt und berät Menschen mit Behinderungen, von Behinderung bedrohte Menschen, aber auch deren Angehörige unentgeltlich bundesweit zu Fragen der Rehabilitation und Teilhabe.) - kein Rechtsbeistand
Caritas bietet Beratung bei Behinderung und psychischer Beeinträchtigung an
Schwerbehindertenvertretung des Betriebes / Schwerbehindertenbeauftragte der Stadt
Sozialstationen von Reha-Einrichtungen / Krankenhäusern
Pflegestützpunkte

 

Verschlimmerungsantrag für den Grad der Behinderung (GdB)

Der Antrag kann 6 Monate nach erstem GdB beantragt werden. Die richtige Anlaufstelle, um dies begleitend zu organisieren wäre der VdK.

 

Klageweg

Die Widerspruchsfrist beträgt 1 Monat! Tipps: [5]
Wenn keine finanziellen Mittel für eine Klage bereitstehen, kann man dies über einen Sozialverband organisieren.

Es ist möglich, dass bei Erstantrag oder Verschlimmerungsantrag ein negativer Bescheid ankommt.
Wenn dies aus eigener Sicht / Sicht der Ärzte ungerechtfertigt ist, sollte der Klageweg bedacht werden. Ein wohlgesonnener Therapeut und Anwalt sollte mit dazu genommen werden (siehe Anlaufstellen).
Beim Widerspruch gegen den negativen Bescheid werden neue Arztberichte benötigt, welche die angebrachten Einschränkungen gut belegen.
Manche Gutachter argumentieren, dass es die Diagnose nicht gibt, dann ist ein neuer Gutachter von Nöten.
Mit Hilfe des SOVD (Sozialverband Deutschland) können solche Situationen begleitend gelöst werden.
Das Klageverfahren kann um die 12 Monate dauern, also Geduld und Ausdauer mitbringen.

 

Tipps & Zusatz-Infos

• Holt euch Unterstützung bei der Ausfüllung des Antrages, wenn er perfekt vorbereitet wurde und bereits alle Fragezeichen beantwortet, ist die Chance am besten, dass er ordentlich beurteilt wird
• Beobachtet einige Zeit im Alltag eure Einschränkungen und notiert sie
• Sprecht mit euren behandelnden Ärzten (Therapeut, Neurologe, Psychiater, Facharzt, Hausarzt etc.) über den Antrag, damit diese bereits Bescheid wissen / ausführlich die Situation beschreiben können bei ankommenden Formularen
• Dokumentiert (ggf. mit Hilfe durch die behandelnden Ärzte) sämtliche stationäre oder teilstationäre Klinikaufenthalte, erfragt Entlassungsberichte an und legt diese dem Antrag bei
• Kümmert euch bei Erstantrag direkt um das Thema Merkzeichen, gebt diese mit an und verweist auf Klinikaufenthalte / Entlassungsberichte / Diagnosen (das hilft dem Sachbearbeiter)
• Geht nicht davon aus, dass die Sachbearbeiter Wissen / Verständnis um psychische Erkrankungen haben, helft ihnen beim Antrag zu erfassen, was welche Auswirkungen hat
• Prüft ob es Sinn ergibt Urteile / Beschlüsse mit anzubringen, wie zum Beispiel: DIS & Urteile
• Denkt daran, dass bei einer psychischen Erkrankung die Bemessung vom GdB nicht starre Beweisregeln hat, Sachverständigengutachten sind nicht ungewöhnlich und gehören zur Regel
Kranken- und Kliniktage der letzten Jahre darlegen und begründen, welche Symptome sich mit der Arbeit trotzdem verbinden lassen
• Es gibt viele Fälle, bei denen der GdB von > 50 problemlos durchgegangen ist, manche haben unbegründet Widerspruch eingelegt und anstandslos einen GdB von 50 erhalten
• Wenn ausser den Diagnosen nichts beigelegt wird, kann der GdB < 50 werden, eine gute Vorbereitung & Begründung auf den Antrag ist also sehr wichtig
• Für einen GdB > 50  ist bei psychischen Erkrankungen wichtig, die sozialen Einschränkungen aus dem Gutachten konkret zu erkennen, redet mit dem Gutachter darüber
• Viele Ärzte oder auch Sachbearbeiter / Gutachter können mit der Diagnose DIS wenig anfangen, Fokus auf die kPTBS, dissoziativen Störungen setzen
• Entscheidungen zum GdB sind je nach Bundesland unterschiedlich

 



Urteile zum Thema SBA & dissoziative Störungen / dissoziative Identitätsstörung

LSG Berlin hat bei Klage einen GdB 50 und Merkzeichen festgestellt:
https://openjur.de/u/300729.html

Bundesverwaltungsgericht hat bei Klage einen GdB 50 festgestellt:
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20201019_W201_2226351_1_00/BVWGT_20201019_W201_2226351_1_00.html

 

Bild13Liebe Grüße,
Linehme

 

 

 

 

 

Quellen:

[1] https://www.gesetze-im-internet.de/schwbawv/
[2] https://www.familienratgeber.de/schwerbehinderung/schwerbehindertenausweis/versorgungsamt.php
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/schwbawv/__3.html
[5] http://www.ra-heimbach.com/fachgebiete/verfahren-schwerbehindertenrecht

 

 

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